Einmal kam ein alter Mann vorbei. Ein Betonbaumeister, der den Hochbunker am Ende des Zweiten Weltkriegs mit errichtet hatte. „Er erinnerte sich noch wie die Wände damals wackelten, wenn Bomben einschlugen“, sagt Marcus Flatten (54). Lange Zeit Symbol der Angst und Zerstörung, ist der Bunker an der Schomburgstraße (Altona) heute ein Ort der Gemeinschaft und des Klimaschutzes. Hier hat der Verein „Kultur Energie Bunker Altona Projekt“ (KEBAP) zwischen Mehrfamilienhäusern ein Idyll in der Großstadt geschaffen. Bald soll von hier aus Wärme für den Stadtteil entstehen. Fast unscheinbar steht er da am Rande von St. Pauli. Dabei ist der 50 Meter lange, zwölf Meter breite und knapp 19 Meter hohe Gigant kaum zu übersehen. „Trotzdem kommen immer wieder

Passanten vorbei, denen der bunt bemalte Bunker zuvor nie aufgefallen ist“, sagt Marcus. So war es auch bei ihm. Seine Joggingstrecke führte an dem Klotz vorbei. Irgendwann bemerkte er die Menschen im Garten vor dem Bunker und fragte, was sie da eigentlich machen würden. Marcus legte sofort mit los. Seine Kommunikationsagentur in Bahrenfeld lief gut. Die beiden Kinder waren aus dem Gröbsten raus. Und der studierte Biologe, der schon lange im Umweltschutz aktiv war, suchte ohnehin nach einem sinnvollen Ausgleich. Anfangs buddelte Marcus Flatten nur im Garten. Eigentlich bloß der Gehweg, der an der Vorderseite des Bunkers entlangführt. Etliche Hochbeete reihen sich links und rechts des Weges aneinander. Auf bunt bemalten Holzschildern wird gebeten, das Gemüse stehen zu lassen.
Die Anwohner bauen allerhand Essbares an. Von Erdbeeren und Mangold über Bohnen, Gurken und Spinat bis hin zu Kräutern. Zweimal die Woche wird gemeinsam gegärtnert, einmal die Woche gemeinsam gekocht. Zudem finden Lesungen, Workshops und offene Treffen statt. Entstanden ist das Projekt 2011 aus einem Protest heraus. Anwohner hatten sich gegen die Fernwärmeleitung gewehrt, die vom Kohlekraftwerk Moorburg durch den an den leerstehenden Bunker grenzenden Walter-Möller Park führen sollte. Aber die Protestler wollten nicht nur gegen etwas sein, sondern auch für etwas. Sie gründeten den Verein „Kultur Energie Bunker Altona Projekt“ und starteten damit, den Garten anzulegen. Zunächst ohne Genehmigung. Doch die Stadt fand das Engagement gut und tolerierte das Treiben.
Aber es sollte nicht nur gebuddelt und gepflanzt werden. Die Mitglieder wollten in dem Bunker auch Energie erzeugen. So wurde aus dem Verein heraus 2015 die „Kultur Energie Genossenschaft Altona“ (KEGA) gegründet, deren Vorstand Marcus heute ist. „Wir wollen vor allem Wärme erzeugen. Bisher kam das Thema in der Energiewende zu kurz. Dabei macht Wärme einen Großteil unseres CO2-Ausstoßes im Bereich Wohnen aus.“

Der Zwillings-Hochbunker ist in der Mitte geteilt. Auf der rechten Seite sollen die Kultur- und Stadtteilangebote stattfinden. Auf der linken Seite ist die Wärmeproduktion geplant. „Energie aus dem Stadtteil – für den Stadtteil. Das ist unser Ziel.“ Mit Luftwärme-, Grundwasserwärmepumpen und Blockheizkraftwerk soll die Wärme direkt im Bunker erzeugt werden. Interessierte können Geschäftsanteile der Genossenschaft kaufen. „Damit der Überschuss nicht von irgendwelchen Aktionären abgesahnt wird, sondern im Stadtteil bleibt und die Menschen davon profitieren“, erklärt Marcus.
Man braucht einen langen Atem dafür, die Welt zu verbessern. Aber es gibt Freiräume, die man nutzen kann und sollte.
Marcus Flatten
Die KEGA plant ab 2025 gemeinsam mit einem Energieversorgungsunternehmen pro Jahr etwa 10 Gigawattstunden in das Quartierswärmenetz einzuspeisen. 60 Prozent sollen für die Versorgung eines Schwimmbads und einer Schule genutzt werden. Mit dem Rest sollen rund 1000 Haushalte mit klimafreundlicher Heizwärme und Warmwasser versorgt werden. Wer genau angeschlossen wird, ist noch in der Verhandlung. Und auch auf der „Kultur-Seite“ des Bunkers wird einiges passieren. Geplant sind ein großer Veranstaltungsraum für Lesungen, Konzerte und Nachbarschaftstreffen. Proberäume, Werkstätten, eine Gemeinschaftsküche und ein Tonstudio. Der Start der Bauarbeiten bedeutet jedoch das Aus für den Gehweg-Garten. Aber auch dafür gibt es bereits konkrete Pläne. Ein öffentlich zugänglicher Dachgarten mit Veranstaltungsfläche.

Für Marcus als einer von vier Vorständen viel Planung, viele Behörden-Meetings. Manchmal vermisst er das Buddeln im Garten. Vor allem zählt für ihn jedoch das Gefühl, den aktuellen Entwicklungen nicht ohnmächtig ausgeliefert zu sein. „Wir können selber etwas verändern. Man braucht einen langen Atem dafür, die Welt ein bisschen zu verbessern. Aber es gibt Freiräume, die man nutzen kann und sollte.“
Ein Lastenrad für Geräte und Aktionen

Gutes verdient Unterstützung. Mit der Aktion „Die Bessermacher“ wollen wir nicht nur engagierte Menschen zeigen. Die Projekte bekommen auch finanzielle Hilfe und langfristige Unterstützung.
Der Verein KEBAP wünscht sich ein Lastenfahrrad, um die Gartengeräte transportieren zu können und auch, um es als Popup-Stand für Aktionen und die Mitgliederwerbung zu nutzen. Die Haspa kümmert sich um die Finanzierung mit Fördermitteln aus dem „Haspa LotterieSparen“.
Die Haspa Altona unterstützt den Verein als Filialpate. „Der Energiebunker macht eine tolle Arbeit und ist ein wichtiger Impulsgeber für Altona“, findet Filialdirektor Marcel Dieckmann. „Klimafreundliche Aktionen brauchen natürlich eine klimafreundliche Logistik. Das unterstützen wir gerne.“
Von WIEBKE BROMBERG (Text)
und FLORIAN QUANDT (Fotos)