Was das Virus mit uns, dem Kiez und unserer Nachbarschaft macht. Drei Mitarbeiter*innen der Haspa berichten.
Johanna Tröger – Jeans, grüner Wollpulli, die braunen Haare lässig zum Half Bun geknotet, in den Fingern ein Stück Kreide – steht vor der Stadtteilwand der Haspa-Filiale am Ottenser Marktplatz. Routiniert schüttelt sie kunstvoll verschnörkelte Buchstaben aus ihrem Handgelenk. Ein paar Augenblicke später ist der Satz auf dem großen schwarzen Tafelhintergrund zu erkennen: „Sich nah sein, auch ohne Kontakt.“ Das ist seit knapp einem Jahr der neue Alltag in der Filiale. Früher zeichnete sie hier in schöner Schriftkunst Einladungen zu Veranstaltungen oder Events und Neuigkeiten aus dem Viertel an. Aber Corona hat wie ein Meteorit auf einen Schlag alles geändert.
Neuer Arbeitsalltag
Corona hält auch Johannas Filiale weiterhin fest im Griff. Tag für Tag arbeiten sie und ihre Kolleg*innen an vorderster Front, um die Versorgung der Hamburger mit Bankdienstleistungen zu sichern. Aber der Alltag in den Nachbarschaftsfilialen der Haspa ist nicht mehr der Gleiche.
Auf der einen Seite vermisst Johanna, die Unbeschwertheit, mit der sie sich einfach so durch die Filiale und das quirlige Viertel mit den vielen kleinen Läden bewegt hat, mit der sie Nachbarinnen traf, Veranstaltungen in der Filiale mitorganisierte oder am großen Nachbarschaftstisch klönte. Auf der anderen Seite spürt sie aber auch eine neue Nähe, fühlt sich mit ihren Kolleg*innen und dem Viertel stärker verbunden. Schließlich teilen alle das gleiche Schicksal.

Nett sein ohne Grund? Logo!
„Klar, machen wir uns auch Sorgen, uns selbst oder unsere Familien anzustecken. Wenn ich am Serviceschalter stehe, kann ich schlecht ausweichen. Leider gibt es immer noch genug Leute, die keinen Abstand halten und Masken falsch oder gar nicht tragen. Immer wieder darüber zu diskutieren, zieht viel Energie“, erzählt die 39-Jährige. „Aber wir halten durch – für unsere Kund*innen.“
Und auch wenn die Tage manchmal hart sind, gibt es auch Lichtblicke: Vor ein paar Tagen kam ein junger Vater mit seinem Sohn für die Eröffnung eines Mäusekontos zu Johanna. Als die beiden zum Abschluss die ersten Euros auf das Kinderkonto einzahlten, flüsterte der kleine Junge mit verschmitztem Lächeln seinem Papa etwas ins Ohr. Der Vater durfte es dann aussprechen: „Er fragt, ob ihr befreundet sein könnt.“ Diese kleine Geste verschönerte ihr prompt den Tag. Sie spürte Dankbarkeit und das Gefühl, diese Freundlichkeit auch anderen Menschen mitzugeben.
Das Viertel rückt zusammen
Generell rückt die Nachbarschaft in diesen Zeiten mehr zusammen. Das kann auch Christoph Westerhuys, Finanzberater in der Filiale in der Jarrestraße, bestätigen. Er arbeitet seit vier Jahren dort und liebt das Viertel mit der kulturellen Vielfalt und den vielen kleinen Geschäften. Damit das auch so bleibt, geben er und seine Kolleg*innen ihr Bestes und unterstützen die Selbständigen, wo sie können: „Wir helfen beim Beantragen der Förderprogramme, setzen Tilgungen aus oder erhöhen auch mal kurzfristig Kreditlinien“, erzählt der 25-Jährige. Mit seinen Kund*innen pflegt er ein sehr freundschaftliches Verhältnis. „Wenn ich in der Mittagspause draußen unterwegs bin, treffe ich immer jemanden für einen kleinen Schnack. Dieses Miteinander in der Nachbarschaft bringt viel Spaß.“
Gerade jetzt ist es wichtig, einander zu helfen – im Großen wie im Kleinen. Deshalb hat Christophs Filiale eine coole Aktion gestartet: Zusammen mit der naheliegenden Filiale am Winterhuder Marktplatz haben sie den „Hamburg Pioneers“, Hamburgs ältestem american Footballverein, in dieser schwierigen Phase unter die Arme gegriffen. „Der Verein ist ein Urgestein in Winterhude. Aber mit leeren Hallen und schwindenden Mitgliederzahlen ist es für Sportvereine gerade nicht leicht.“ Deshalb haben sich die beiden Filialen zusammengetan und gehören nun zur Sponsorenfamilie.

Das Besondere im Alltäglichen
Es braucht nicht immer viel, um die Nachbarschaft zu einem herzlicheren Ort zu machen. Oft sind es die kleinen, persönlichen Beiträge, die eine große Wirkung erzielen. Vor ein paar Tagen ließ ein Kunde von Christoph im Nebensatz fallen, dass er im zweiten Lockdown mit dem Zeichnen angefangen hat. Die Filiale in der Jarrestraße bietet Platz, und der Kunde möchte seine Bilder im Viertel präsentieren. „Da war schnell die Idee einer Ausstellung hier bei uns geboren“, erzählt er. „Alle Einnahmen, die der Kunde dadurch einnimmt, will er nach Abzug der Materialkosten spenden.“
Seinen Optimismus hat Christoph nicht verloren. Er kann an der aktuellen Situation sowieso nichts ändern und versucht, das Beste daraus zu machen. Etwas Positives hat das Ganze für ihn sogar: Der Freizeitstress liegt jetzt auf Eis. „Sonst war meine Woche voll mit Terminen und Verabredungen. Nun bin ich gezwungen, auf die Bremse zu treten – das tut richtig gut“. Mittlerweile findet der Finanzberater auch immer häufiger das Besondere im Alltäglichen. „Das tolle Wetter hat die Menschen vergangenes Wochenende vor die Tür gelockt. Viele waren im Stadtpark unterwegs, haben sich die erste Kugel Eis gegönnt und ausgelassen rumgetollt. Es war schön zu sehen, dass die Leute im Viertel wieder Spaß haben. Das hat mich glücklich gemacht.“
Stolz wie Bolle
Für Marcel Dieckmann, Filialleiter in der Neuen Großen Bergstraße in Altona, ist dies nicht weiter wunderlich: „Corona macht uns bewusst, wie kostbar unsere Zeit ist und lässt uns fragen, mit wem und wie wir sie nach der Pandemie verbringen wollen.“ Mit seinem Team ist er gern zusammen – und super stolz auf alle. „Besonders die Servicekolleg*innen leisten gerade einen unglaublichen Job.“ Zwischen Plexiglasscheiben, ganztägig mit FFP2-Maske, verstärkte Geräusche von Zählmaschinen, noch lautere Stimmen, die unter den Masken hervorquellen: Das alles verschwimmt zu einem dröhnenden Donnern, das spät nach Feierabend noch nachklingt.
„Dabei auch noch die eigenen Ängste und Verunsicherungen die Kundinnen nicht spüren lassen, Mut machen und immer freundlich bleiben – das verlangt einiges ab“, sagt der 29-Jährige. Er findet es aber richtig, dass gerade in diesen Zeiten die Haspa mit ihren 100 Filialen den Hamburger*innen zur Verfügung steht. „Durch Corona haben viele Leute Klärungsbedarf, und gerade in solchen herausfordernden Situationen ist es wichtig, mit echten Menschen zu sprechen und nicht von maschinellen Telefonstimmen abgefertigt zu werden“.

Tiefgründige Beziehungen
Homeoffice ist für Marcel nicht möglich. Das hat aber auch einen Vorteil: „Meine Arbeitstage sind dadurch abwechslungsreich, kein Tag gleicht dem anderen. Außerdem habe ich nach wie vor reale Begegnungen – mit meinen Kund*innen und Kolleg*innen.“ Hier mal ein Scherz, da ein lockerer Spruch. Diese kleinen Momente zählen.
Corona hat das Team noch mal ganz anders zusammengeschweißt. „Schließlich sitzen wir alle im selben Boot“, erzählt der Filialleiter. „In gewisser Weise sind wir uns sogar näher gekommen. Wir zeigen uns ungefilterter, nahbarer und unsere Gespräche sind ehrlicher geworden.“ Das merke er auch an sich selbst. „Der Umgang miteinander ist herzlicher und fürsorglicher. Die Hilfsbereitschaft untereinander hat zugenommen. Wir passen aufeinander auf.“ Da gewinnt die Frage „Wie geht’s dir?“ eine viel tiefere Bedeutung. Und das bekommt auch die Nachbarschaft zu spüren. Seine große Hoffnung: „Dass wir nach der Corona-Zeit nicht wieder in die alten Muster verfallen und das Bewusstsein, das wir jetzt geschaffen haben, gut bewahren.“
Wer einen Beratungstermin mit Marcel oder Christoph vereinbaren möchte, findet die beiden in unserem Beraterfinder.
Hallo liebe Isa-Lorett, beim Jahreszeiten-Verlag habe ich mich monatlich bei den neuen Ausgaben immer sofort auf den Feinschmecker gestürzt, um die Artikel von Stephan Clauss zu verschlingen. Ähnlichen Suchtfaktor löst zur Zeit noch Hajo Schumacher vom HH Abendblatt aus, aber Du, liebe Isa-Lorett bist den Jungs dicht auf den Fersen. Kompliment für Deine tolle Schreibe 👍👍.
Eins noch: Gender ist mir relativ wurscht, aber mir ist aufgefallen, dass in Deinem Artikel die Klamotten von der Frau erwähnt werden 😉 Wende das mal in deinem Text auf die beiden Männer an, dann wirkt das irgendwie seltsam. Das ist aber keine Kritik!!
P.S. Redakteure werden übrigens ganz schön gut bezahlt 🙂