Corona: „Das Leben geht weiter“

Stefanie Huppmann leitet das StartUp-Center der Haspa. Wer nur das schnelle Geld machen will, hat bei ihr keine guten Karten. Gefragt sind ein schlüssiges Konzept, Umsicht und ein kluger Kopf. SZENE HAMBURG fragte nach.

Gründen in der Pandemie – hatte das Start-up-Center in den vergangenen zwölf Monaten eigentlich noch was zu tun? Reichlich, aber natürlich haben auch wir uns gefragt, ob man in dieser Zeit Kredite an Gründer
vergeben sollte. Die klare Antwort lautet: Ja. Denn das Leben geht weiter und wir blicken optimistisch in die Zukunft. In 2020 haben wir insbesondere Unternehmen begleitet, die die Hamburgerinnen und Hamburger dringend brauchen – zum Beispiel Kitas, Krankentransporte, Handwerker oder private Jobvermittler.

Was heißt das in Zahlen?
Wir haben im Corona-Jahr wieder fast 300 Vorhaben mit 42 Millionen Euro unterstützt. Das waren nur unwesentlich weniger als im Vorjahr. Der Gründerwille ist also fast gleich geblieben.

Wie hat sich die Gründerszene verändert?
Da haben wir keine große Veränderung gespürt. Es gibt in jedem Beruf Menschen, die sich selbstständig machen wollen. Am Anfang der Pandemie kamen Menschen auf uns zu, die in den Import und Handel mit Masken einsteigen wollten. Wir wurden um Vorfinanzierung von Aufträgen gebeten. Da dieser Personenkreis jedoch leider weder über Branchenerfahrung verfügte, noch daran Interesse hatte, ein langfristig existierendes Unternehmen aufzubauen, haben wir diese Vorhaben nicht begleitet.

Wie unterstützen Sie die Start-ups, die vor der Pandemie an den Start gegangen sind und durch sie jetzt komplett in der Luft hängen?
Das ist natürlich für einige ein großes Problem. Wir haben gleich zu Beginn der Pandemie zusätzliche Ressourcen eingeplant, um unsere Kunden umfassend unterstützen zu können. Bei bestehenden Darlehen haben wir bei Bedarf die Tilgung ausgesetzt und zur Aufrechterhaltung der Liquidität Hilfskredite bei den Förderbanken beantragt. Für innovative Start-ups gab es anfangs kaum staatliche Unterstützung. Über die Handelskammer Hamburg haben wir das Gespräch mit der Politik gesucht. Mit Erfolg: Inzwischen gibt es auch Fördermöglichkeiten für innovative Start-ups. Schließlich brauchen wir alle diese Unternehmen. Sie gewährleisten eine nachhaltige Zukunftssicherung unserer Stadt. Darum müssen wir möglichst alles tun, damit sie überleben.

Apropos überleben: Was raten Sie Gründern heute?
Nach wie vor: Gut planen! Das mag für viele altmodisch klingen, aber es ist immer wichtig zu wissen: Wie hoch sind die Umsätze, wie hoch die Kosten und was habe ich zum Leben?

HELDENHAFT

Sie hatten gerade erst ihren Traum verwirklicht und an der Meenkwiese ihre eigene Kita „Die Helden” eröffnet. Dann kam Corona und damit der Lockdown. Das sorgte bei Melisa Suhonjic und Kolja von Busch für ein paar schlaflose Nächte.

Kita-Gründer Melisa Suhonjic und Kolja von Busch (FOTO: PRIVAT)

Die Helden. Der Name für ihre erste eigene Kita ist schnell klar, das Konzept auch. Melisa Suhonjic (30) und Kolja von Busch (33) wollen erst einmal klein anfangen. Wichtiger ist: Vieles wollen sie besser machen, als sie es bei großen Trägern kennengelernt haben. Mit einem Gründerkredit in der Tasche, unterzeichnen sie im Mai 2019 einen Mietvertrag. Der Standort: die Meenkwiese in Winterhude, mit einem Spielplatz direkt vor der Tür. Von dort kommen während der Bauphase Eltern vorbei und erkundigen sich. „Wir haben schnell gemerkt, wie groß das Interesse ist“, so Kolja von Busch. Der Start klappt denn auch reibungslos, die 20 Plätze sind schnell belegt. Als die Betreiber schon kurz nach der Eröffnung das Angebot bekommen, die Räumlichkeiten zu vergrößern, schlagen sie zu und reichen im Januar den Bauantrag ein. Dann geht nichts mehr.

„Der Lockdown am 16. März hat uns erst ein paar schlaflose Nächte beschert“, gibt Melisa Suhonjic zu. „Wir hatten schließlich nicht nur viel Herzblut in unserer Kita gesteckt, sondern auch den einen oder anderen Cent und wussten nicht, wie es nun weitergeht.“ Doch schnell ist klar: Die Stadt übernimmt für die Eltern die Kita-Gebühren. Kinder kommen trotz Notbetreuungsangebot nicht. „Wir hatten alle keine Pandemie-Erfahrung, die Ernsthaftigkeit war deutlich spürbar und die Eltern hatten Angst vor Ansteckung“, erzählen die Kita-Gründer. Sie rufen die Eltern an, klären auf, versuchen zu beruhigen. Doch: „Bis zum 1. Mai hatten wir nicht ein Kind in der Betreuung.“

In Kontakt mit ihren „Helden“ bleiben sie trotzdem. Wir haben kleine Filme gedreht oder Videocalls gemacht, damit die Kinder unsere Gesichter nicht vergessen“, so die Sozialpädagogin. Als der Sommer naht, gibt es die ersten Treffen im Garten, dort wo sich Abstands- und Hygieneregeln leicht einhalten lassen. Und irgendwann ist die Kita wieder voll, 31 der mittlerweile 43 Plätze sind belegt, als sich im Oktober bereits der zweite Lockdown ankündigt.

Der wird anders als der erste. „Alle waren etwas Corona-müde und die Risikofreudigkeit, seine Kinder zu bringen, deutlich höher als beim ersten“, fasst Melisa kurz zusammen und ergänzt: „Im ersten Lockdown war bei allen die Geduld größer. Man dachte, in zwei Monaten sei alles vorbei. Jetzt ist ein Jahr rum und für viele
Eltern hat sich die Lage verschlechtert. Es ist sehr anstrengend geworden für Familien.“

Finanzielle Einbußen müssen die Kita-Gründer bislang nicht verkraften. Doch langfristige Planungssicherheit gibt es für sie, die mittlerweile auch fünf Mitarbeiter haben, nicht. „Ich mache mir natürlich Gedanken, wie es weitergehen soll“, sagt Kolja von Busch. „Stadt und Bund haben wegen der ganzen Hilfen un- glaubliche Ausgaben. Der Topf ist ja auch irgendwann mal leer. Und dann?“ Allerdings sei auch klar: „Die Stadt weiß um den Stellenwert von Kitas. Niemand will, dass sie verloren gehen und sich dadurch die Betreuungssituation weiter verschärft.“ Für Melisa Suhonjic und Kolja von Busch ist klar: Kitaplätze sind gefragt und der Bedarf wird weiter steigen. Ihre zweite Kita ist bereits in Planung. Im August soll sie in Billstedt eröffnen.

GANZ OHR

Das Abi machte Tom Köchling mitten im Lockdown und gehört damit eigentlich zur Generation Corona. Also machte er sich kurzerhand selbstständig und ist heute wohl Deutschlands einziger Azubi mit Geschäftsführung.

Gründeten mitten in der Pandemie: Michael (l.) und Tom Köchling FOTO: KÖCHLING HÖRSYSTEME

Ein gut durchdachtes Konzept. Ein Existenzgründerdarlehen. Eine recht krisensichere Branche. Und einen erfahrenen Partner an der Seite. Nein, Angst vor dem Sprung in die Selbstständigkeit hatte der Bergedorfer Tom Köchling trotz Pandemie nicht. Der Partner in seinem Unternehmen Köchling Hörsysteme: Vater Michael Köchling. Ein alter Hase in der Branche. 1997 ist er auch gerade erst 26 Jahre alt und Deutschlands jüngster Meister. „Ich hatte kein Eigenkapital, aber ein klares Ziel.“ Das kommt an bei der Bank, bei der auch er einen Gründerkredit bekommt. Der zahlt sich aus: 20 Jahre später verkauft Michael Köchling seine sieben Fachgeschäfte an einen Mitbewerber, ohne zu wissen, was danach kommt. „Das Angebot konnte ich nicht ausschlagen. Ich hätte eigentlich nicht mehr arbeiten müssen.“

Doch still sitzen ist seine Sache nicht. Der Neustart ist darum fast logisch. Da passt es gut, dass Sohn Tom in seine Fußstapfen treten will. „Ich kenne den Beruf mein Leben lang, dass ich in dieser Branche arbeiten will, war immer klar“, sagt dieser. Zusammen entwickeln sie Ideen, einen Businessplan und ein klares Ziel.

„Wir wollen zügig wachsen und in den nächsten fünf Jahren zehn Fachgeschäfte führen.“ Vater und Sohn als gemeinsame Unternehmensführung – kann das gut gehen? „Das klappt überraschend gut“, betonen beide lachend. „Ich weiß, was mein Vater alles geschaffen hat und kann seine Erfahrung sehr wertschätzen. Und er sieht, dass ich Gas geben und etwas erreichen will“, ergänzt Tom Köchling.

„Nach der Ausbildung will ich möglichst schnell meinen Meister machen und vielleicht noch den Betriebswirt dranhängen.” Die größte Herausforderung? „Gute Mitarbeiter zu finden“, sagt der Jungunternehmer.

„Bei geplanten zehn Filialen sind sie unerlässlich.“ In dem Bergedorfer Geschäft sind sie zur Zeit zu dritt. Neben den Köchlings gibt es noch einen Gesellen, der beiden aktuell aus dem Hintergrund zuarbeitet und keinen direkten Kontakt mit Kunden oder den beiden Chefs hat. So soll sichergestellt werden, dass der Laden auch weiterlaufen kann, sollte sich jemand mit dem Virus anstecken. Da Hörgeräteakustik systemrelevant ist, haben die Köchlings auch im Lockdown geöffnet. Um die vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen noch zu weiter zu verstärken, setzen die Hörgeräteakustiker auf Digitalisierung. Bargeld wird nicht mehr angenommen, Papier hat so gut wie ausgedient. Kostenvoranschläge, Termine, Rechnungen und auch die Ohrabformungen wurden digitalisiert.

Pandemiegeplagt fühlen sich die Köchlings nicht. „Unsere Branche ist zum Glück ziemlich krisensicher“, betonen sie. Die Pandemie habe die Ladensuche zudem vereinfacht. Außerdem sei die Entscheidung, ein Unternehmen zu gründen, leichter gefallen, weil sich die Ausbildungsplatzsuche als schwierig herausstellte.

„Tom ist wohl der einzige Hörakustikauszubildender, der seinen Lehrvertrag selber zweimal unterschrieben hat – als alleiniger Geschäftsführer und als Auszubildender“, so Michael Köchling. Er wolle jetzt noch einmal Vollgas geben und dann langsam drosseln, sagt er und weiß auch, dass ihm das nicht leicht fallen wird. „Ich bin Unternehmer durch und durch, da kann ich nicht aus meiner Haut“, sagt er lachend. Und Tom? „Ich will so schnell wie möglich wachsen und Erfolg haben.“ Langfristig planen will er nicht. „Es ändert sich gefühlt immer so viel, da muss man dann auch mal spontan sein.“

Alle Beiträge von Illona Lütje mit freundlicher Genehmigung der SZENE HAMBURG

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